Erfahrungsberichte

Ein 81jähriger muktimorbider Mann wurde wegen eines riesigen Aortenaneurymas notfallmäßig operiert. Aufgrund der Ausdehnung konnte nur pallliativ ein langer Bypass vom Aortenbogen bis in den Beckenbereich die Beindurchblutung sichern. Das Anerysma, wie auch die Durchblutungsprobleme von Bauchorganen (Rückenmark?) verblieben. Der alte Mann, der in seiner Patientenverfügung ausufernde Medizin abgelehnt hatte, willigte kurz vor der OP mit kaum lesbarer Unterschrift ein. Ein Hinweis auf die Alternativtherapie wie auch Hinweise auf die anschließend fast sicher notwendige Dialyse und beschränkte Lebensqualität erfolgten nicht. Auch wurde nicht erwähnt, dass es wohl kaum einen Operateur gäbe, der bei einem so ausgedehnten Befund überhaupt noch den Eingriff wagen würde.

Erwartungsgemäß kam es nach dem Eingriff zu schwersten Komplikationen, Lungen-, Nieren-, Immunversagen wurden maximalmedizinisch behandelt, es trat eine Tetraparese auf. Frühzeitig versuchte die Familie die Behandlungswünsche des Vaters durchzusetzten, scheiterte aber mit ihrem Antrag beim zuständigen Betreuungsgericht u.a. auch deswegen, weil der behandelnde Arzt tatsachenwirdig behauptete, „die Frage, ob der Pateint nach dem Eingriff ein selbstbestimmtes Leben führen oder ein Pflegefall werden würde, sei völlig offen“. In dieser Situation schaltete die Familie Zweitmeinung-Intensiv ein, nach Aktensichtung wurde mit dem Intensiv-Chefarzt sehr schnell der Kompromiss beschlossen, dass die Therapie nunmehr eingefroren werde, da Therapieziele im Sinne des Patienten unerreichbar waren. Dieser Kompromiss wurde nicht eingehalten, die Familie stellte daraufhin eine Strafanzeige wegen des Versachts der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Misshandlung Schutzbefohlener und informierte die Öffentlichkeit. Die Bildzeitung und Reginalblätter berichteten. Unter dem Druck willigte die Klinik schließlich ein, den Patienten in eine andere Klinik zu verlegen, dort wurden mit der Familie eingehend die Behandlungswünsche besprochen und eine zeitgemäße Palliativversorgung eingeleitet.

Der 72jährige Patient wurde Mitte 2019 ein metastasiertes Pankreaskarzinom festgestellt. Neben 3 Linien Chemotherapie, zu der die Ehefrau aufgrund der Empfehlung des Onkologen sehr drängte, bekam er im letzten Jahr einen Defibrillator implantiert, damit es nicht zu einem Herzstillstand kommt, sowie erlitt nach den ersten beiden Chemotherapien jeweils Schlaganfälle mit folgender umfangreicher Intensivtherapie. Als wir ihn am 04.01.2020 in die Zweitmeinungsberatung übernahmen, war der Patient bereits seit Dezember in spezialisierter ambulanter Palliativversorgung, das SAPV Team wird durch 2 Onkologen geleitet. Diese hatten zuletzt am vergangenen Montag eine Chemotherapie in der Praxis durchgeführt, dort hinzukommen war für den Bettlägerigen Patienten eine Tortur. Der Patient hatte – trotz Not und mehrfacher Anforderung – bislang keinen Hausbesuch erhalten, er hatte keine Notfallmedikation, trotz seiner Vernichtungsschmerzen kein schnellwirksames Schmerzmittel zuhause. Sein Defibrillator war noch aktiviert, obwohl die Ehefrau diesbezüglich bereits bei einem der Klinikaufenthalte und auch bei den Onkologen anfragte, ob man den nicht ausschalten müsse.

Wir verordneten und organisierten an einem Samstag nachmittag (!) die notwendige Medikation, deaktivierten den Defibrillator durch Spezialmagnetauflage und beruhigten die aufgebrachte Familie. Der Patient verstarb am Folgemorgen, er benötigte zusätzlich 70 mg Morphium und am Lebensende eine palliative Sedierung mit Midazolam, schließlich starb er äußerst friedlich ohne dass der Defibrillator auslöste.

Joachim, ein Sportler, Marathonläufer, körperbezogen, erlitt 2008 eine massive Hirnblutung und lag seitdem im Wachkoma. Ärzte berichteten schon seinerzeit von den schlechtesten Aussichten, gleichwohl wurde eine Langzeitintensivversorgung begonnen. Bereits 2009 ist in der Akte dokumentiert, dass „keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchzuführen seien“. Gleichwohl setzte der Intensivdienst – eine auf Wachkomapatienten spezialisierte Einrichtung - die Intensivtherapie fort. Vielfach war er wegen diverser Infektionen von Lunge und Harnwegen in verschiedenen Kliniken. Stets erfolgte Maximaltherapie, inklusive Reanimation. Der Zustand wurde durch Probleme mit der Trachealkanüle, Zahnschäden und schwerer Spastik mit Gelenkverbiegungen verstärkt. Nach Meinung der Tochter wurde sein Zustand zunehmend leidvoll. (Zitat: „Tochter: „ Das ist echt nicht mehr mit anzusehen“).

Anfang November 2018 wandte sich die Tochter (Betreuerin) an uns. Hier wurden Familie und Freunde zu früheren Willensäußerungen befragt. Hierbei konnte recht einvernehmlich der einer fortgesetzten Behandlung entgegenstehende Wille ermittelt werden. Ein entsprechendes Gutachten wurde für das Betreuungsgericht erstellt. Der Richter fällte nach einer Woche die Entscheidung, dass noch weitere Unterlagen, insbesondere eine Stellungnahme des Hausarztes notwendig seien. Nach vielen Telefonaten erstellte der Hausarzt ein entsprechendes Attest. Kurz vor Weihnachten – der Richter hatte seinen Jahresurlaub genommen - erreichte die Tochter das sogenannte „Negativattest“ des Betreuungsgerichts. Hiermit war das Beenden der Intensivtherapie rechtlich abgesichert und ein Weiterführen der Behandlung würde als Körperverletzung gelten.

Nun weigerte sich jedoch das Heim, die Intensivtherapie zu beenden (dies ist übrigens eine Straftat, aber das Strafrecht hilft nicht, denn ein Staatsanwalt wird einen Gutachter beauftragen und dann dauert es – anders als bei uns – Monate). Daher wurde in Krefeld eine andere Einrichtung zur Verlegung gesucht. Eine Mitarbeiterin telefonierte einen ganzen Vormittag lang, um in Krefeld eine andere Einrichtung zur Verlegung zu suchen. Noch nicht einmal das Hospiz erklärte sich zur Übernahme bereit.

Durch persönliche Kontakte wurde das Hospiz in Düsseldorf gefunden (die Leiterin sitzt mit Dr. Thöns im Vorstand der DGP-NRW), welches nach Weihnachten eine Zusage zur Übernahme gab. Die Krankenkasse gab noch am Telefon die Kostenzusage für die Hospizaufnahme. Als der Krankenwagen den Patienten übernehmen wollte, teilte man mit (vorher hat man das weder erwähnt, noch hat man in der Einrichtung die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen erkennbar angesetzt), dass der Patient einen multiresistenten Keim hatte. Erneut mussten viele Telefonate geführt werden, da das Hospiz ihn nun nicht aufnehmen wollte. Es fand sich eine Palliativstation, die bereit war, den Patienten aufzunehmen. Dort verstarb er nach wenigen Tagen unter fachgerechter Leidenslinderung. Die Familie war hierüber sehr dankbar.

Volker wurde infolge einer Magenblutung auf Kuba und bei einer Operation mehrfach wiederbelebt. Seitdem liegt er im Wachkoma. In einer Dortmunder Klinik erfolgte ein „Entwöhnungsversuch“. Nach Erreichen einer hohen Fallpauschale sollte die rasche Verlegung in eine Beatmungs-WG erfolgen. Die vorsorgebevollmächtigte Schwester wandte sich an uns. Wir verhinderten zunächst die rasche Verlegung, in die von uns als nicht gut empfundene Einrichtung. Durch diese Verzögerung war eine Entwöhnung von der Beatmung erfolgt. Als wir das Gericht darauf hinwiesen, dass der Patient nicht mehr beatmet ist und folglich auch nicht in eine Beatmungs-WG müsse, wurde die Beatmung von der Klinik wieder begonnen..

Es erfolgte dann die Verlegung in eine Beatmungs-WG, dort wurde – obwohl eine Beatmung überhaupt nicht nötig war – eine nächtliche Beatmung angesetzt. Wir ordneten eine Unterlassung an und erreichten durch gute Kooperation mit der Krankenkasse eine Verlegung nach Hause mit 24-stündiger Intensivpflege. Es wurde ein Gutachten für das Betreuungsgericht erstellt und die Familie (Sohn, etc.) zu den Behandlungswünschen befragt. Das Betreuungsgericht Hattingen erstellte uns nach einigen Rückfragen das „Negativattest“. Auch der Hausarzt stimmte dem von uns vorgeschlagen Vorgehen zu. Wir entfernten die Trachealkanüle und begleiteten den Patienten mit unserem Palliativteam. Die künstliche Flüssigkeitszufuhr setzten wir seinem Willen entsprechend ab. Er verstarb schließlich – ohne die Trachealkanüle gebraucht zu haben - unter der fehlenden Flüssigkeitssubstitution nach acht Tagen. Schwester und Sohn waren sehr dankbar.

Ein schwer erkrankter 51jähriger Mann musste im Rahmen einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung mit begleitendem Lungen- und Nierenversagen seit dem 25.07.2018 langzeitbeatmet werden.

Aufgrund der Schwere der Erkrankung erfolgt bereits nach 5 Tagen ein Luftröhrenschnitt als Dilatationstracheotomie. Als sich der Patient bereits auf dem Weg der Besserung befand, wird er am 08.08.2018 nach insgesamt 14 Tagen Intensivbehandlung zur Beatmungsentwöhnung auf eine sogenannte Weaningstation innerhalb der Klinik verlegt. Unter der laufenden Insulintherapie mit 4,5 IE/h kam es im Verlauf der Nacht zu einem Abfall des erhöhten Blutzuckerspiegels auf 177mg/dl um 06:00 Uhr. Daraufhin wurde der Insulinperfusor auf 4ml/h reduziert. Die Kontrolle um 12:00 Uhr mittags zeigte trotz Reduktion einen weiteren Abfall auf 133mg/dl, woraufhin die Laufrate auf 2ml/h halbiert wurde. Die nächste Kontrolle um 17:02 Uhr ergab einen lebensbedrohlichen Abfall des Blutzuckerspiegels auf nur noch 31mg/dl. Der Insulinperfusor wurde ausgestellt und ein nicht näher bezeichneter Ernährungsbolus laut „Pflegebericht“ gegeben. Eine gebotene Information des Dienstarztes oder eine ärztliche Anordnung ist in der vorliegenden Dokumentation nicht erkennbar.

Die nächste Kontrolle des Blutzuckers erfolgte erst wieder nach mehr als 3,5 Stunden um 20:46 Uhr. Laut der Dokumentation „gegen 20:00 Krampfanfall“. Zwischen dem dokumentierten Krampfanfall und dem Ergebnis der Blutgasanalyse mit einem Butzuckerwert um 20:46 Uhr (nicht in Akte) waren daher bis zu 46 Minuten verstrichen. Erst jetzt erfolgte erstmals nach Aktenlage eine ärztliche Therapie mit der notwendigen intravenösen Glukosegabe.

Das Ergebnis der Blutgasanalyse mit Blutzuckerwert „0 mg/dl“ um 20:46 Uhr und der daraus folgenden Therapie mit Glucose sind daher bis zu 46 Minuten verstrichen.

Aus der Originalakte wurden Blutzuckerwerte von 20:46 Uhr (0 mg/dl), 21:08 Uhr (38 mg/dl) und 21:38 Uhr (76 mg/dl) entfernt.

In der Folge verbleibt der vormals als „wach und kooperativ“ beschriebene Familienvater mit schwerstem Hirnschaden in einem Syndrom der reaktionslosen Wachheit (minimales Bewußtsein oder permanent vegetativer Status, im Volksmund „Wachkoma“). Er ist deswegen tracheotomiert und bis heute heimambulant intensivversorgt. Er hat keine Kontrolle über Blasen- und Mastdarmfunktion, muss künstlich ernährt und abgesaugt werden, ist nicht kontaktfähig und ohne Sprache.

Wir haben von einem Mitarbeiter der Klinik Hinweise auf schlimme Zustände auf dieser Weaningstation erhalten mit einem konkreten Hinweis auf diesen Zwischenfall. Im Auftrag der Ehefrau erstellten wir ein Gutachten.

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